Volksstimme Halberstadt vom 28.01.2015
Begeisterung bei Benefizabend für „Stunde der Musik“: Der Rathaussaal war beim vierten Konzert der 45. Saison der internationalen Reihe „Stunde der Musik“ des Halberstädter Kammermusikvereins am Sonntag wieder gut gefüllt. Ganz in Schwarz, mit einer roten Fliege geschmückt, ging der Solist des Abends zum Steinway-Flügel: Hartmut Wettges, der Vorsitzende des Vereins. Er hatte zum Benefiz-Konzert eingeladen. Die Einnahmen aus dem freien Verkauf gingen an die Konzertgemeinde.
von Hans Walter
Eine Premiere mit Lampenfieber auch für Wettges. Er musizierte Werke von Robert Schumann, Johannes Brahms, Franz Liszt, Frédéric Chopin und Ludwig van Beethoven. Hier stellte sich ein Vorsitzender mit seinem Repertoire im Solokonzert dem künstlerischen Urteil des Kammermusikvereins. Und das fiel begeistert bis stürmisch für den Pianisten aus. Immer wieder
spürte er beim Musizieren den Zusamhenhängen zwischen den Komponisten nach. Ihren Freundschaften, Animositäten, Eigenaften – übrigens auch in einem klugen, von ihm geschriebenen 8-Seiten- Programmheft. Viel Aufwand für eine einmalige Veranstaltung – aber Markenzeichen des Vereins seit Jahrzehnten.
Schumanns „Arabeske“ opus 18 eröffnete den Abend. „Leicht und zart“ hatte der Komponist als Spielanweisung notiert – und genau diesen Gestus traf Wettges. Brahms' zwei „Rhapsodien“ Opus 79 schlossen sich an. Der Pianist suchte die Strukturen des Werkes, das Wesentliche der Komposition, die ihm auch technisch alles abverlangte.
Dann ein absoluter Lieblingstitel des Publikums: Das Notturno „Liebestraum Nr. 3“ von Franz Liszt. Er hatte 1850 nicht nur drei Notturnos für Klavier komponiert, sondern gleichzeitig auch eine Fassung für Sopran und Klavier. Freiligraths Gedicht „O lieb, solang du lieben kannst“ war eine der Textgrundlagen. Diesen Liebestraum kann man wirklich ewig lieben. Ruhig, innig, gefühlvoll – aber nicht sentimental – zu Beginn, expressiv wie ein Liebesakt und virtuos in der Spielweise im zweiten Teil. Bravo, Hartmut Wettges!
Das Freiligrath-Lied erklang nicht im Konzert, es hatte aber einen tiefen inhaltlichen Bezug zum Geschehen. „Die Stunde kommt, die Stunde naht, wo du an Gräbern stehst und klagst“ geht es im Text weiter. Es war solch trauriger Moment, in dem sich das Publikum zu Beginn der Benefizgala erhob und zweier verstorbener, über 80-jähriger Mitglieder schweigend gedachte.
Die Chopin-Abteilung war gut bestückt mit der Etüde c-Moll, mit dem Fantasie-Impromptu cis-Moll und mit der Polonaise As-Dur. Merkwürdig, wie der Komponist ans Herz rührt. Es ist Lächeln unter Tränen. Ist slawische Wehmut und Weltbürgertum – und das mit höchsten Schwierigkeiten für den Pianisten. Eine hat Wettges erklärt: „Beide Teile versieht Chopin in der linken Hand mit einer troischen Achtelbewegung, setzt aber im ersten Teil virtuose 16-tel in die rechte Hand, so dass eine Polyrhythmik entsteht. Die klingt so gut, als wäre es das Normalste, 16-tel und Triolen miteinander zu verbinden ... Und dies in einem rasanten Tempo!“
Höhepunkt war Beethovens „Mondscheinsonate“. Drei Sätze, in denen Wettges seine Gestaltungskraft spielen ließ. Der lyrische 1. Satz schwebt dahin voller Ruhe, Besinnlichkeit, Süße. Dann ziehen Dynamik und Tempi stetig an bis zum rasanten, hochdramatischen Finale. Eine schöne Interpretation des oft gehörten Werks!
Es gab viel Beifall und einige Bravorufe für den Künstler. Und weil der Applaus auch nach der ersten Zugabe mit Schumanns „Papillons“ nicht abebbte, beschenkte er das Publikum mit etwas ganz anderem, das seine stilistische Wandlungsfähigkeit zeigte – mit Swing von George Gershwin.