Mancher Musikfreund traute wohl seinen Augen nicht, als innerhalb des Jahresprogramms „Stunde der Musik“ des Halberstädter Kammermusikvereins e.V. der Name des neugewählten Vorsitzenden des Vereins erschien, dort, wo man eher einen jungen, internationalen Preisträger erwartete, dem die Höhepunkte seiner Karriere noch bevorstehen. Mit Wettges ist dies ein Musiker, der vor 50 Jahren seine Karriere hätte anstreben müssen. Doch schrieb ihm das Leben seine eigenen Seiten. So war der Schüler von Prof. Günther Kootz an der Leipziger Hochschule für Musik auch gleichzeitig Schüler in der Dirigentenklasse von Prof. Rolf Reuter.
von Hans-Ulrich Sauer
Günther Kootz, sein Lehrer, zählte damals zu der Pianistengeneration der DDR, deren Namen u.a. mit Amadeus Webersinke, Dieter Zechlin, Annerose Schmidt, Siegfried Stöckigt, Werner Richter, Manfred Reinelt, im In- und Ausland einen guten Ruf hatten.
Nach Abschluss seines Examens als Kapellmeister war Wettges in dieser Funktion an verschiedenen Theatern der DDR erfolgreich tätig. Doch Wettges' Ambitionen zum Klavier brachen vor 10 Jahren noch einmal auf. Er, der überhaupt nicht hauptberuflich als Pianist in all den Jahren tätig war, rollte die Entwicklung quasi mit diesem Abend von hinten auf und bereitete sich gründlich darauf vor.
So stellte sich Wettges am Sonntag, dem 25. Januar im Halberstädter Rathaussaal im Rahmen eines Benefiz-Konzertes, dessen Einnahmen dem Verein zu Gute kamen, mit Werken von Robert Schumann, Johannes Brahms, Franz Liszt, Frédéric Chopin und Ludwig van Beethoven vor.
So erklang die Schumannsche „Arabeske“ op. 18 unter seinen Händen infolge einer Tempoverbreiterung eher episch, erzählend, als an anderen Beispielen oft hörbar; leicht und spritzig.
Zwei Brahms-Rhapsodien op. 18 Nr. 1/2 bildeten hier in ihrem episch-pathetischen Charakter einen krassen Gegensatz, wobei selbst beide Werke zueinander von gegensätzlicher Wirkung sind. Hat man zur ersten, recht herb klingenden Rhapsodie, einen schweren Zugang, so steht die zweite im durchschaubaren Sonatenhauptsatz. Hier bedient sich Brahms mit dem 2. Thema einer Melodie aus der Oper „Der Prophet“ von Meyerbeer. Im gut abgesetzten Pianospiel endet das Stück verklingend in einer Basslinie.
Wem soviel „Brahmssches“ widerfährt, ist doch einen „Lisztschen Liebestraum“ wert. Das berühmte Thema des Notturno Nr. 3 nahm Wettges recht breit, frei von aller Sentimentalität. Hervorragend, ja, weltmännisch-beeindruckend der zweite Teil des „Liebestraum“.
Die nachfolgenden Werke Chopins sind durch ihr melodienbewusstes Flair echte Publikumsrenner: So die c-Moll Etüde op. 25 Nr. 12, sein oft zu hörendes Fantasie-Impromptu in cis-Moll und die As-Dur Polonaise op. 53. Verglichen mit anderen Interpreten fehlte mir – bei aller Konzentration – hier etwas die Leichtigkeit und Eleganz. Dennoch verlangen sie vom Interpreten ein Höchstmaß an Virtuosität, der Wettges durchaus gewachsen war.
Nach der Pause folgte Beethovens „Mondscheinsonate“ in einer überlegenen Gestaltung, einschließlich des von dem Pianisten gefürchteten 3. Satzes.
Hartmut Wettges, der zur finanziellen Unterstützung des Vereins dieses Konzert als „Benefiz“ spielte, kann für diese Leistung nicht genug gedankt werden. Sein Mut und Können, sich in einer Konzertreihe international bedeutender Künstler zu stellen, verlangt unsere Hochachtung und Dank!