Eine brillante Krankheitsvertretung

Volksstimme Halberstadt vom 17.04.2019

Glanzvoll wie sie be­gannen, gingen die vier Solisten-Konzerte zum Jubiläum des Kammer­musikverein Halberstadt zu Ende. Den brillanten Abschluss gestaltete Kristóf Baráti mit einem extrem anspruchsvollen Programm, das einfach überschrieben war: Kristóf Baráti, Violine. 

Es ist ein wür­diges Ende für die Solisten­Konzerte des Kammermusik­vereins Halberstadt gewesen. Den brillanten Abschluss der Jubiläumsreihe – der Verein fei­ert sein 50-jähriges Bestehen – gestaltete Kristóf Baráti mit einem extrem anspruchsvollen Programm, das unter einem schlichten Titel stand: Kristóf Baráti, Violine.

Er bezauberte seine Zuhörer durch ein ebenso atemberau­bendes wie reflektiertes Spiel auf seiner „Lady Harmsworth”, einer Stradivari von 1705. In seinem Solo-Rezital spielte der Geiger der Extraklasse Werke von Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) und Eugene Ysaye (1858 - 1931). 

Die Liebe zur Violine verbin­det beide Komponisten über die Jahrhunderte hinweg. 

Dass Bach ein passionierter Geiger war, darüber berichtete Hartmut Wettges, Vorsitzender des Kammermusikvereins, vor Beginn des Konzertes. Auf einer Stainer-Geige, die zu Bachs Zei­ten höher geschätzt wurde als eine Stradivari, hat der große Barockkomponist auch jenen Zyklus von Stücken entwickelt, der bis heute als das „Nonplus­ultra der Geigenmusik” gilt: die Sonaten und „Partiten” für Vio­line solo, erläuterte er. 

Der zweite Komponist des Abends, der Belgier Eugene Ysaye, war einer der bedeu­tendsten und einflussreichsten Geiger seiner Zeit. Die meisten seiner Kompositionen entstan­den aus der Notwendigkeit, auf seinen Konzerttourneen über ein ausreichendes Repertoire zu verfügen. Das trifft insbesondere auf seine sechs Solo­sonaten, sein berühmtestes Werk, zu. 

Diese erhoben im Urteil der Fachwelt die Technik des Gei­genspiels auf ein neues Niveau. Musikalisch stehen die So­naten Ysayes zwar in der Tradi­tion des 19. Jahrhunderts, erinnern jedoch an Bachs ebenfalls sechsstelligen Solozyklus. „Sei­ne sechs Sonaten verstehen sich als ein modernes Echo auf Bachs Musik: als eine Erneuerung der Botschaft, die sieb darin findet, aber auch als ein Echo auf alles, was seitdem die musikalische und die geigerische Sprache verändert hat”, so drückte es Michel Stookhem aus. Vor diesem Hintergrund erwies sich das ausgewählte Konzertprogramm von Kristóf Baráti als durchaus schlüssig. 

Dass der Geigenvirtuose derzeit zu den interessantes­ten Musikern in der Klassik­szene gerechnet wird, davon konnten sich die Zuhörer live im Halberstädter Rathaussaal überzeugen. Mit sich von Stück zu Stück steigerndem Beifall und lang anhaltenden stehenden Ovationen am Ende des Konzerts dankten sie dem Vir­tuosen für das mehr als beein­druckende Programm. 

Umrahmt von Bach spielte Baráti zwei Stücke von Ysaye aus der Sonate a-Moll op. 27. Zunächst die Nr. 3, dem Geiger Enescu gewidmet, gefolgt von der Nr. 2, dem Geiger Thibeau gewidmet. Letztere ist auch deswegen besonders interes­sant, weil der Spätromantiker Themen aus Bachs Partita Nr. 3 E-Dur verwende­te. Wirkungsvoll stellte der Künstler unter Beweis, dass eine inten­sivere Beschäftigung mit den Solo-Sonaten Eugene Ysayes überaus lohnenswert ist. Und dann Bach. Baráti spielte aus den „Sei Solo a Violino senza Basso accom­ pagnato” die Sonate Nr. 1 g-Moll und die Partita Nr. 2 d-Moll sowie als Zugabe das Largo aus der Sonate Nr. 3 in C-Dur. 

Wie nicht anders zu erwar­ten, bildete die Partita in d-moll den Höhepunkt des Konzertes. Das Halberstädter Publikum hatte das Glück, Bachs gewal­tiges Stück für Solo-Violine in Vollkommenheit zu hören. Die Chaconne, mit der die Partita abschließt, ist technisch eines der schwierigsten Stücke der Violin-Literatur und faszinie­rend wie ein ganzes Violin­konzert. Sie wurde von Kristóf Baráti meisterlich in all ihren Facetten von dramatisch bis innig präsentiert.  Dank gilt dem Künstler auch, dass er kurzfristig für die erkrankte Elena Bashkirova einsprang. 

Das Konzert von Baráti in Halberstadt kam durch die Vermittlung des Cellisten István Vardái zustande, der das dritte Jubiläumskon­zert gemeinsam mit Zarina Shimanskaja gestaltet hatte. Womit einmal mehr an den in diesen Tagen viel zitierten Spruch zu erinnern wäre: „Was wäre die Welt ohne Freunde?”