Subtile Begegnung mit der Seele der Komponisten

Volksstimme Halberstadt vom 26.02.2019

 „Sie werden ein wunderbares Konzert erleben”, sagte Hartmut Wettges zur Be­grüßung. 

Mit diesen Worten schwor der Vorsitzende des Kammer­musikvereins Halberstadt das Publikum auf ein ganz beson­deres musikalisches Erlebnis ein. In der Tat, das zweite Ju­biläumskonzert in der 50. Spiel­zeit war von einem ganz beson­deren Reiz, der seine Wirkung auf die Zuhörer im nahezu aus­verkauftem Rathaussaal nicht verfehlte. 

Noah Bendix-Balgley, Ers­ter Konzertmeister der Berli­ner Philhar1noniker, gestalte­te mit seiner Bergonzi-Violine von 1732, zusammen mit dem ausgezeichneten Jannick Ra­falimanana am Klavier ein unglaublich energievolles Konzert, das das Publikum be­geisterte. Das facettenreiche Programm umfasste Kompo­sitionen der Klassik, der Ro­mantik bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass das zweite Jubiläumskonzert mit einem Werk des Komponisten begann, dessen Musik maßgeb­lich das erste Jubiläumskon­zert geprägt hatte, ist sicher ein charmanter Zufall, hatte aber seinen besonderen Reiz. 

Mit der Sonatine D-Dur op. 137 Nr. 1 D 384 vermittel­ten Noah Bendix-Balgley und Jannick Rafalimanana, die seit etwa zwei Jahren zusammen konzertieren, einen ersten Ein­druck dessen, was den Zuhö­rer an diesem Abend erwartet: eine ganz besondere Mischung aus dynamischer Klangvielfalt und einer subtilen Begegnung mit der Seele der Komponisten. 

Wie. glänzend die beiden Künstler aufeinander einge­spielt sind, zeigte sich in der anschließenden komplexen und anspruchsvollen Sonate für Violine und Klavier c-Moll op. 30 Nr. 2 von Beethoven. In allen vier Sätzen gibt das Klavier zuerst die Themen vor, die dann von der Geige übernommen werden. In den nachfolgenden Seitenthemen ist es umgekehrt. Im Urteil der Fachwelt „erreichen hier die Gleichberechtigung und enge Verknüpfung von Klavier-und Violinstimme eine neue Di­mension”. 

Nach dem Ende des ersten Teils, der mit ebenso langem wie begeistertem Beifall durch das Publikum honoriert wurde, schien es schwer möglich, diesen noch zu toppen. Das Un­glaubliche geschah, der zweite Teil des Konzerts nahm die Zuhörer noch mehr gefangen. Und nicht nur, weil „die Lie­bes-und Lieder-Sonate” von 

Brahms gespielt wurde. 

Der Urgroßvater von Bendix­Balgley, Samuel Lewenthal, war gleichfalls Geiger und kam Ende des 19. Jahrhun­derts nach Leipzig. Hier spielte er bei Johannes Brahms und machte 1899 am Konservato­rium seinen Abschluss. Ins­besondere der zweiten Satz des Brahm'schen Werkes mit seinem durchgehenden Ama­bile machte die sphärische Spielweise von Bendix-Balgley transparent. Mit Manuel de Falla's Sui­te „Populaire Espagnole” er­oberten spanisch-maurische Klänge mit einem Hauch De­bussy den Konzertsaal. Den offiziellen Abschluss bildete die Konzertfantasie für Violine und Klavier von Maurice Ravel, die zu den anspruchsvollsten Stücken der virtuosen Violin­literatur gehört. Hier konnte Noah Bendix-Balgley seine Mu­sizierlust ausleben, „die man nur erzielen kann, wenn man sich um technische Schwierig­keiten keine großen Gedanken machen muss”, wie ein Kritiker schrieb. „lt Ain't Necessarily So” erklang als Zugabe nach minutenlangem Beifall und Standing Ovations. 

Mit diesem Evergreen aus „Porgy and Bess” wurde nicht nur ein Song aus der Heimat des Violinisten brillant per­formt, sondern auch die An­spannung der Zuhörer nach der hoch artifiziellen Musik Ravels gelöst. Und doch gibt es einen kleinen Wermutstrop­fen an diesem eindrucksvollen Abend der musikalischen Ge­gensätze. Noah Bendix-Balgley ist bekannt für seine singuläre Wiedergabe von Klezmer. Scha­de, dass das nicht auf dem Pro­gramm stand. Vielleicht beim nächsten Mal.